Nach dem wir uns letzte Woche über Sonys ewig gleich bleibende Geschäftspraktiken amüsiert haben, widmen wir uns heute mal EA und Microsoft. Trotz des über Jahre anhaltenden Erfolges des Train Simulators ist es bis heute nicht zu einem Nachfolgeprodukt aus dem Hause Microsoft gekommen, obwohl der TS2 bereits auf der E3 2003 spielbar war und Ende 2003 hätte in den Läden stehen sollen. Dann jedoch trennte man sich von Kuju Entertainment, die den ersten Teil entwickelt hatten. Kuju begann für EA die Arbeit am Rail Simulator – kein Wunder, kann man dem Eisenbahnfreund doch selbst im Vergleich zum Sims-Suchti ein Vielfaches an AddOns andrehen.
Erst jetzt, als Anfang 2007 der Rail Simulator schon fast auf der Zielgerade war, kündigte Microsoft ein zweites Mal einen Train Simulator 2 an. Dieses Mal unter Federführung der Aces Studios, die auch für den Flight Simulator verantwortlich sind. Angekündigt wurde das Projekt mit Killerfeatures wie der Simulation praktisch sämtlicher Eisenbahnnetze weltwelt. Mit Screenshots, die die Konkurrenz meilenweit zurücklassen. All das schreit geradezu: Wartet auf mich, kauft nicht die anderen!
Um die Parallelen zur hauseigenen Betriebssystemsparte aufrecht zu erhalten, muss es jetzt nur noch gelingen, den Train Simulator 2 nicht wie angekündigt Ende 2008, sondern erst 2010 und dann mit der Hälfte der versprochenen Features zu veröffentlichen. Aber ich bin zuversichtlich, dass die das schaffen.
Widmen wir uns solange dem kürzlich erschienenen Rail Simulator. Da dieser ebenso wie der ursprüngliche Microsoft Train Simulator von Kuju entwickelt wurde, hatte ich mir eine Art gelungener Fortsetzung, wenn auch unter anderer Flagge, erhofft. Ich wurde schwer enttäuscht. In fast allen Bereichen, den neuen Streckeneditor mal ausgenommen, bleibt der Rail Simulator deutlich hinter seinem Urahnen zurück. Vier umfangreiche Strecken finden sich im Paket, von denen allerdings gleich drei in England angesiedelt sind. Ein Übermaß an Abwechslung sollte man also nicht erwarten. Wie im Vorgänger gibt es nun sogenannte Szenarios, sprich Aufgabenstellungen, die man mit seinem Zug erfüllen muss. Sei es eine Nachtfahrt von Hagen nach Siegen, sei es eine Rangieraufgabe oder eine von mysteriösen Ereignissen überschattete Fahrt an Halloween.
Während der Vorgänger schön übersichtlich bei jedem Szenario vermerkte, wie lange man schätzungsweise braucht – bei einer Dauer zwischen 15 und 200 Minuten wäre es vielleicht nicht schlecht, das vorher zu wissen – und wie hoch der Schwierigkeitsgrad angelegt ist, erzählt einem der Rail Simulator überhaupt nichts. Auf ein Tutorial hat man, passend dazu, natürlich auch verzichtet. Um herauszufinden, ob ein Szenario das Richtige für einen ist, hat man also keine andere Chance als sie entweder alle auszuprobieren oder aber durch Zufall im Programmverzeichnis das deutsche Handbuch im PDF-Format zu finden, das einem solch essentielle Informationen zu den Szenarien liefert.
Endlich auf der Strecke angekommen, wird es sogar noch toller: Die früher frei auf dem Bildschirm verschiebbaren Informationsfenster »Streckenmonitor« und «Nächster Bahnhof« gibt es nicht mehr. Sie wurden durch das unverrückbar links im Bild festgenagelte Fenster »Lokführerinformation« ersetzt. Während ich früher im Streckenfenster immer im Blick hatte, wie weit der nächste Bahnhof und das nächste Signal entfernt sind und wann sich die Geschwindigkeitsbegrenzung das nächste Mal ändert, sehe ich letzteres jetzt immer erst dann, wenn ich das Begrenzungssignal schon (zu schnell) überfahre. Viel zu spät also. Deshalb bin ich auf Gedeih und Verderb den Markierungen am Streckenrand ausgeliefert, die gerade bei Nachtfahrten kaum zu erkennen sind, weil das Ein- und Ausschalten der Scheinwerfer im Rail Simulator keinen Einfluss auf die Helligkeit der Strecke hat. Kaum zu glauben, aber wahr: Schaltet man die Scheinwerfer ein, sind lediglich am Zugmodell selbst zwei helle Punkte zu erkennen. Dass Scheinwerfer in der Regel aber auch irgendwohin ihren Schein werfen, war den Jungs bei Kuju offenbar egal.
Die Informationen zum nächsten Bahnhof, meiner Entfernung zu ihm und der geplanten Ankunftszeit befinden sich ebenfalls im Lokführerfenster, aber in einem anderen Tab. Ich kann mir also aussuchen, was ich sehen möchte: Die Geschwindigkeitsbegrenzungen oder die Distanz zum nächsten Bahnhof. Beides gleichzeitig geht nicht. Ärgerlich ist zusätzlich, dass die im Lokführerfenster angegebene Ankunftszeit keineswegs die Zeit angibt, zu der man laut Fahrplan den Bahnhof erreichen soll. Die teilt einem das Spiel überhaupt nicht mit. Die gezeigte Ankunftszeit ist immer eine Schätzung aufgrund deiner aktuellen Geschwindigkeit und passt sich dementsprechend ständig an. Wahnsinn! Das gab es im alten Train Simulator noch nicht. Vielleicht, weil es absolut nutzlos ist?
Würde mich ja alles nicht so wahnsinnig aufregen, wenn Kuju diese Dinge im Vorgänger nicht schon vernünftig hinbekommen hätte. Aber in dem Zustand, in dem er aktuell ist, kann man den Rail Simulator leider niemandem empfehlen. Falls den einen oder anderen jetzt doch die Lust überkommt, sich mal wieder in einen Führerstand zu stellen: Die Platin DVD Edition von German Railroads enthält fünf wirklich wunderschöne Strecken sowie hunderte an Aufgaben, Lokomotiven und Waggons für den alten Train Simulator. Und kostet weniger.
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