Schön waren die Jahre von 1998 bis 2003. Die kalte Jahreszeit verging nie ohne neues Rollenspiel aus Kanada, ob ausgewachsenes Mammutwerk wie Baldur's Gate oder hervorragendes AddOn wie Throne of Bhaal. 2003 riss die Reihe ab, glanzvoll zwar, mit Shadows of Undrentide, Hordes of the Underdark und KotOR, doch danach war für PC-Spieler, Biowares einstiges Kernpublikum, der Ofen aus.
Viel mehr als von den Spielen war in den letzten Jahren jedoch von den Eigentumsverhältnissen rund um den kanadischen Entwickler die Rede. Im Jahr 2003 – Blizzard hatte mehrfach den Besitzer gewechselt und dabei Leute wie Jeff Strain und Bill Roper verloren, Origin und Bullfrog waren nach der Übernahme durch EA geschlossen worden, von Westwood war kaum noch etwas übrig und Interplay schloss zuerst Black Isle, bevor man 2004 dann selbst Insolvenz anmeldete – schien es ein wahnsinnig gutes Zeichen zu sein, dass Bioware es sich leisten konnte, unabhängig zu bleiben.
Dragon Age, das nächste große kanadische PC-Rollenspiel, wurde im Frühjahr 2004 angekündigt. Die Meldung damals bestand aus Konzeptzeichnungen, die man heute auf Biowares Seite schon gar nicht mehr findet, und der Feststellung, dass man noch keinen Publisher für das neue Spiel habe. Bei dieser Feststellung blieb es bis vor kurzem, was für ein unabhängiges Studio schon Einiges bedeutet. Neben sehr viel künstlischer Freiheit vor allem finanzielle Unwägbarkeiten, weil man die Entwicklungskosten schließlich komplett selbst tragen muss.
Im November 2005 wurden Bioware und Pandemic von Elevation Partners übernommen, einer Investmentgesellschaft, die beide Entwickler unter dem Dach der VG Holding zusammenschloss. Was davon zu halten sei, darüber stritt die Fangemeinde damals und sie tut es auch heute noch, denn seit der Akquisition ist noch kein einziges neues Spiel von Bioware erschienen. Bekannt ist aber, dass die Firma massiv ausgebaut wurde, erweitert unter anderem um ein komplett neues Studio im texanischen Austin, wo unter der Leitung von Gordon Walton, der zuvor für EA an Ultima Online und für SOE an Star Wars: Galaxies arbeitete, derzeit ein MMORPG entwickelt wird.
Josh Resnick, einer der Gründer von Pandemic, sagte damals zu GameSpot: »Some developers have chosen the path of selling to publishers, and that's a viable path. We have specifically chosen not to go down that route because it was important for us to maintain our independence.«
Heute ist man den Weg nun doch gegangen. Elevation Partners hat die VG Holding inklusive Bioware und Pandemic an Electronic Arts verkauft. Im Grunde hätte das niemanden überraschen dürfen, denn das ist nun einmal, was Investmentgesellschaften tun: Unternehmen aufkaufen und in sie investieren, um sie dann gewinnbringend wieder zu veräußern. Und an wen verkauft man gemeinhin Entwicklerstudios?
Bret Perlman, Managing Director von Elevation, formulierte sein Einverständnis zu dem Deal dann auch folgendermaßen: »We are proud to have partnered with the management teams of BioWare/Pandemic Studios and collectively created significant shareholder value during our ownership period.« Von »significant shareholder value« kann man dabei in der Tat sprechen, denn aus 300 Millionen Dollar Investionen vor anderthalb Jahren sind nun mehr als 775 Millionen geworden, die EA für VG Holding bezahlte.
Was bedeutet diese Übernahme für Bioware? Zuerst einmal scheinen mir die Erfolgschancen des in Austin produzierten MMORPGs dramatisch zu steigen. Onlinerollenspiele zu entwickeln kostet deutlich mehr als die Entwicklung von Singleplayerspielen, gescheiterte MMORPG-Projekte gibt es wie Sand am Meer. Von Tag Eins der Ankündigung dessen, was Bioware in Austin vor hat, machte ich mir deshalb Sorgen, ob man sich mit einem solchen Mammutwerk nicht gewaltig überheben würde.
Dieses Fragezeichen schafft der EA-Deal aus der Welt, denn Electronic Arts hat nicht nur unzweifelhaft die finanziellen Mittel, um ein solches Projekt zu einem guten Abschluss zu führen, sie scheinen derzeit mit Warhammer Online auf gutem Wege zu sein, zu beweisen, dass sie auch den unbedingten Willen, den dafür nötigen langen Atem haben.
Darüber hinaus wird der Blick in die Kristallkugel aber ausgesprochen trübe. Bisher scheinen von EA übernommene Entwickler nur zwei mögliche Schicksale zu kennen: Entweder sie gehen ein, wie die oft bemühten Beispiele Origin, Bullfrog und Westwood, oder sie produzieren Serien, wie es Maxis und DICE tun. Wünschenswert ist beides nicht. Aber ist es ernsthaft zu befürchten? Verfügt Bioware heute über große Marken? Jade Empire war nur mäßig erfolgreich, die Rechte an den beiden legendären Reihen im D&D-Universum liegen bei Atari, die für KotOR bei LucasArts. Bleiben von den angekündigten Projekten nur Mass Effect und Dragon Age, die beide Eigenentwicklungen und beide noch nicht erschienen sind.
Die interessante Frage dürfte für die nächsten Jahre also lauten:
Was hat John Riccitiello, seit Februar neuer CEO von EA, mit Bioware vor?
Immerhin war er bereits von 1997 bis 2004 Präsident und COO von Electronic Arts, also genau in der Zeitspanne, in der EA mit einigen zugekauften Studios richtig viel Blödsinn angestellt hat. Danach wurde er zum Mitbegründer von Evelation und richtete dort die VG Holding ein, die er nach seiner Rückkehr zu EA nun kaufte. Verrückte Position, an der er selbst ganz gut verdient.
Hoffentlich hat er seit 2004 dazugelernt. Greg Zeschuk und Ray Muzyka scheinen, wenn man sich das Interview bei Gamasutra anschaut, davon überzeugt zu sein. Permanent fallen Sätze wie »We're really excited about the chance to work with John again.« Über EA als Ganzes wird praktisch nicht geredet. Selbst wenn sie mit ihrem Vertrauen in Riccitiello Recht behalten sollten – und nichts wäre wünschenswerter! – so ist die Fixierung auf diesen einen Mann doch Grund zur Sorge. Denn eines ist sicher: EA ist nicht nur »John«. Riccitiello wird nicht ewig CEO bleiben.
Ich muss es gestehen, die Situation erinnert mich an die gestrige Pokernacht. Greg und Ray sind gerade all in gegangen.
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