Um vier Uhr morgens fährt Taxifahrer Roberto Benigni durch Jim Jarmuschs Rom, als sein Fahrgast – ein Bischof, der keiner ist – ihn bittet, die Sonnenbrille abzunehmen. Den Rat befolgend antwortet Roberto: »Padre, ich fühle mich wie ein Blinder, dem das Augenlicht wiedergeschenkt wurde!« Ähnliches möchte ich nun sagen, der ich nach einem knappen dutzend Spielstunden Colin McRae DiRT inzwischen über die Pisten von Sega Rally bügle. Danke, Sega, ich kann wieder sehen!
Abwechslungsreiche, farbgewaltige Strecken ohne alles egalisierenden Braunfilter – eine Wohltat für meine Augen. Spurrinnen der Wagen zeichnen sich in den Matsch, besonders in den Meisterschaften, in denen sechs Fahrer gleichzeitig unterwegs sind. Das Gamepad rüttelt, macht jede Bodenwelle spürbar, während mein Mitsubishi durch ein Flussbett holpert, Stoßstange an Stoßstange mit dem Ford Focus neben mir. Selten vermitteln Rallyespiele so überzeugend das Gefühl, mit seiner Karre knietief im Dreck zu stecken.
Leider punktet Sega nur in der Kategorie »Wasser von unten«. Regen, Gewitter und Schneefall scheinen in der aktuellen Rallyespielgeneration keine große Rolle mehr zu spielen. Wehmütig denke ich an die Japan-Kurse eines CMR 04 zurück. Auch aus anderen Gründen: Weil sämtliche Strecken in Sega Rally darauf ausgelegt sind, im Meisterschafts-Modus von sechs Fahrern gleichzeitig beackert zu werden, sind die Straßen ausgesprochen weiträumig. Wenn man im Zeitfahren allein seine Runden dreht, um die Strecken zu lernen, hat man zu keinem Zeitpunkt wirkliche Platzprobleme. Auf den Zentimeter kommt es hier nicht an.
Über den Verlauf der Ideallinien muss man ebenfalls nicht lange nachdenken. Die K.I.-Fahrer zeichnen sie deutlich sichtbar in den Sand, halten viel zu sehr an diesen Linien fest. Der Spieler wird zwar häufig von hinten attackiert, man versucht ihm bei Überholmanövern den Weg abzuschneiden. Sich selbst lassen die computergesteuerten Fahrer diese Fürsorge allerdings nicht angedeihen. Auf sich gestellt, trotten die K.I.-Fahrzeuge zumeist friedlich hintereinander her. Dem Computer ist es schließlich egal, welcher seiner Fahrer gewinnt.
Das bedeutet aber nicht, dass Sega Rally ein einfaches Spiel wäre. Nach welchen Regeln das Fahrverhalten grundsätzlich funktioniert, hat man im Handumdrehen heraus, trotzdem braucht man viel Übung, um wirklich hervorragende Zeiten zu fahren und in den späteren Meisterschaften auf den vorderen Plätzen zu landen. Diese »Übung« erlangt man großteils einfach durch die Investition von Zeit, bis man nach einer Weile die Strecken richtig gut kennt, weiß, worauf man achten muss, und viele Abläufe automatisiert hat. Geistige Anwesenheit scheint dabei weniger erforderlich zu sein. Ich beobachte mich im Gegenteil sehr häufig dabei, schon nach zwei oder drei Kurven nur noch quasi-instinktiv Tasten zu drücken und mich gedanklich, lösgelöst vom Spielgeschehen, mit völlig anderen Dingen zu beschäftigen. Das wirkt ähnlich gut wie ein kurzer Spaziergang, um den Kopf frei zu bekommen. Meditativ und entspannend.
Trotzdem denke ich nicht, dass sich Sega Rally bei mir länger als DiRT auf der Festplatte halten wird. Dafür bringt das Spiel deutlich zu wenig Strecken mit – jeweils drei Pisten in insgesamt fünf Szenarien sind ein Witz –, die zwar toll designt sind, aber ohne wechselnde Wetterbedingungen und ohne wirkliche Engpässe ebenso schnell langweilig werden wie die vorhersehbaren K.I.-Gegner. Die Klassiker CMR 04 und Richard Burns Rallye warten also weiter auf ihre Wachablösung.
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