Zeit, mal wieder ein Spiel zu verreißen. Nur schade, dass es dabei Hotel Dusk: Room 215 treffen muss. Denn ein Adventure im Stile des film noir, düster und pessimistisch, mit angemessen desillusionierten Antihelden, verkommenen Schauplätzen, mysteriösen Randgestalten, mit Betrügereien, Entführungen, Mord und vor allem mit jeder Menge Geheimnissen – es hätte unglaublich gut sein können. Es hätte unglaublich gut sein müssen. Leider verstehen die Jungs von Cing wenig von Kriminalgeschichten und überhaupt nichts von Adventures.
Adventures gibt es seit Jahrzehnten. Das Genre ist alt. Jeder nur mögliche Fehler im Spieldesign wurde bereits unzählige Male begangen, und noch wichtiger: Er wurde schon unzählige Male vermieden. Und nun kommt Hotel Dusk und macht fast jeden dieser Fehler noch einmal.
Fangen wir bei den Rätseln an. Von denen hat Dusk zwar kaum welche, was es mit Minigames und Spielereien mit den verschiedenen Eingabemöglichkeiten des Nintendo DS teilweise ausgleicht, aber die paar Knobeleien, die es dennoch ins Spiel geschafft haben, sind schwach. Kaum eines geht darüber hinaus, einen einfachen Gegenstand mit einem anderen einfachen Gegenstand zu kombinieren. Danach hat der Spieler vielleicht noch ein neues Minigame zu absolvieren, fertig.
Den Schwierigkeitsgrad erhöhen die Entwickler künstlich dadurch, dass man viele Gegenstände erst dann mitnehmen kann, wenn man bei dem dazugehörigen Rätsel angekommen ist. Selbst so kuriose Dinge wie die Handnähmaschine oder den Aufkleberentferner, bei denen von Anfang an klar ist, dass die in irgendeinem Rätsel gebraucht werden. Teilweise ist das einfach nur ärgerlich, weil man, sobald man vor einem neuen Rätsel steht, durch das halbe Hotel rennen muss, um Dinge einzusammeln, die man längst hätte dabei haben können. Teilweise entwickelt es sich aber auch zu Plotbremsen, weil Protagonist Kyle Hyde auch bei Gegenständen, die später noch nützlich werden, zu Beginn häufig erklärt, sie wären nutzlos und niemand würde sowas jemals brauchen. Mit dem Erfolg, dass ich an gewisse Gegenstände bei der Lösung einfach nicht mehr denke, schließlich hat mir das Spiel selbst erklärt, ich könne sie nicht verwenden.
Hilfestellungen, die man von einem modernen Adventure eigentlich erwarten könnte, gibt Dusk ebenfalls nicht. So soll man beispielsweise die Gravur auf einem Kugelschreiber wieder lesbar machen. Dazu muss man den Kugelschreiber wie gehabt mit einem einzigen anderen Objekt in der Spielwelt kombinieren. Dieses Objekt muss man nur erstmal finden. Ich bin unzählige Mal daran vorbeigerannt, nach einer Dreiviertelstunde ziemlich entnervt, weil man zu diesem Zeitpunkt nichts anderes Sinnvolles im Hotel tun kann. Wäre es zuviel verlangt, nach einer halben Stunde sinnentleerter Sucherei einen der übrigen Hotelgäste einen kleinen Tipp geben zu lassen? Dass ich das Rätsel noch alleine, ohne Lektüre einer Komplettlösung, knacke, ist unwahrscheinlich, und der Spielfluss zu diesem Zeitpunkt bereits komplett im Eimer.
An anderen Stellen entzückt Dusk dadurch, dass es auf seiner eigenen Lösung besteht, obwohl sich ein Problem durchaus auch anders lösen ließe. Eine Kassette mit Bandsalat könnte ich selbstverständlich auch mit dem Schraubendreher, den ich bereits dabei habe, wieder aufspulen. Das Spiel schickt mich auf die Jagd nach einem anderen Gegenstand.
Richtig paradox wird das Ganze, weil andere Rätsel im Spiel derart offensichtlich sind, dass ich um die Lösung und die benötigten Gegenstände weiß, lange bevor das eigentliche Rätsel im Rahmen der Geschichte überhaupt ansteht. Im späteren Spielverlauf liegt in der Lobby eine Zeitung aus, deren Inhalt auf einen Schlag drei Rätsel löst. Ich weiß das, aber der Protagonist bekommt es offensichtlich nicht auf die Reihe und tut in den folgenden Dialogen so, als würden ihm diese neuen Informationen weiterhin fehlen.
Da das Spiel streng linear abläuft und von Roberta Williams' berühmter Perlenkette weit und breit keine Spur zu sehen ist, kommt es ein- oder zweimal auch zu Situationen, in denen mehrere Dinge anstehen, die ich der Logik der Handlung nach eigentlich in beliebiger Reihenfolge angehen könnte, aber in festgelegter Abfolge absolvieren muss. So lassen sich dann beispielsweise benötigte Gegenstände für Rätsel B nicht aufnehmen, solange Dialog A mit einer an Rätsel B völlig unbeteiligten Person nicht geführt ist. Der absolute Höhepunkt ist schließlich, wenn Kyle Hyde später im Spiel verzweifelt nach einer Geheimtür sucht, die ich als Spieler bereits zwei Szenen zuvor gefunden habe. Ich kann nur nicht mit ihr interagieren, denn den Trigger, der kurz vor der Tür ein Storyereignis auslöst, trifft man nur mit viel Glück.
Rätsel sind allerdings nicht die Hauptsache in Dusk, sondern eher wenig schmückendes Beiwerk. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Entwicklung der Geschichte und auf langen Dialogen mit Hotelgästen und dem Personal.
Die Dialoge in Dusk sind dabei langatmig und zu weiten Teilen redundant. Wenn Kyle die Haushälterin fragt, wann die Hotelbar eröffnet worden wäre, und diese antwortet, dass die Eröffnung der Bar anlässlich des zehnten Jahrestages der Hoteleröffnung stattgefunden habe, dass das Hotel inzwischen zwanzig Jahre alt sei, und sie ihre minutenlange Erwiderung mit den Worten abschließt: »Die Bar müsste dann also vor zehn Jahren eröffnet worden sein. Wenn ich mich nicht verrechnet habe.«, dann ist das so peinlich schlecht geschrieben, dass sich mir die Zehennägel aufrollen.
Um aus den Dialogen interaktive Dialoge zu machen, gibt es tatsächlich Stellen, an denen man sich zwischen zwei Antworten entscheiden muss. Dabei ist es besonders in der ersten Hälfte von Dusk die Regel, dass das Spiel zwei Antwortsätze zur Wahl stellt, die absolut nicht erkennen lassen, was von der reinen Aussage her der Unterschied zwischen beiden sein soll. Weiterhin ist es Regel, dass keine der beiden Wahlmöglichkeiten wirklich wiedergibt, was Kyle Hyde dann tatsächlich zu seinem Gegenüber sagt. Die Auswahl ist ein Glücksspiel. Im letzten Drittel des Spiels bessert sich das zwar, das ist aber auch dringend nötig, weil das Anklicken der »falschen« Antwort direkt zum Game Over führt.
Eine wirkliche Charakterisierung der handelnden Personen gelingt in den Dialogen leider auch nur selten. Ich vermute, dass Kyle Hyde in Dusk den verbitterten Ex-Cop geben soll, der im Laufe des Spiels allmählich eine freundlichere und positivere Seite an sich entdeckt. Das lässt sich aber nur daraus schließen, dass Hyde zu Beginn des Spiels ständig und grundlos Leute anpflaumt und das gegen Ende seltener tut. Dabei scheitert das Unterfangen einer gelungenen Charakterzeichnung daran, dass Hydes Ausfälle von Anfang an aufgesetzt wirken. Auf diese Weise ständig Desinteresse an seinem Umfeld zu bekunden, während er gleichzeitig als Spielfigur im Rahmen der Handlung äußerst interessiert und neugierig in der Vergangenheit ausnahmslos aller Hotelgäste herumschnüffelt, ist ein gewaltiger Bruch, der sich mit der angeblichen Suche nach seinem vermissten Partner Brian Bradley auch nur notdürftig übertünchen lässt: Schließlich stellt sich bei den Lebensgeschichten der meisten Gäste erst im Nachhinein heraus, dass ihre Geschichte auf irgendeine Weise mit Bradley zusammenhängt.
Wobei das Prinzip, geheimnisvolle Leute im Stile von »Whodunnit«-Krimis auf engem Raum zusammenzupferchen und ihnen Stück für Stück ihre Geheimnisse zu entlocken, durchaus funktioniert. Hinter jeder Ecke wartet eine neue Information oder eine überraschende Storywende; die Geschichte entwickelt sich weiter, wird zusehens komplexer und der Spieler wird zunehmend gespannter, wie das alles am Ende denn aufgelöst wird. Das hält einen dabei, das hat mich dazu gebracht, Dusk trotz der vielen Macken durchzuspielen. Zumal die Anzahl an Handlungssträngen und Verknüpfungen zwischen ihnen angenehm hoch ist. Es ist durchaus anzuraten, sich entweder zwischendurch Notizen zu machen oder das Spiel noch ein zweites Mal zu spielen, wenn man wirklich en détail verstehen will, was die letzten zwanzig Jahre im Leben der verschiedenen Gäste eigentlich alles abgelaufen ist, und wie das zusammenhängt.
Der eigentliche Aufhänger, die Jagd nach dem Ex-Kollegen Brian Bradley, bleibt aber dürftig, denn das Spiel tut ausgesprochen wenig, um den Spieler für Bradley zu interessieren. Die anderen Gestalten im Hotel sind fast ausnahmslos interessanter. Der Schluss des Spiels ist deshalb eine Enttäuschung. Der Bradley-Teil der Geschichte wirkt zum Ende hin noch konstruierter als zu Beginn schon, und auch die Auflösung der übrigen Handlungsfäden scheitert. Weniger an der Logik der Handlungsabläufe, sondern, wie sich schon bei Kyle Hyde andeutete, daran, dass die Autoren ihre Charaktere nicht im Griff haben. Zu viel von dem, was dort passiert, ist zwar irgendwie vorstellbar, passt aber nicht zu den jeweiligen Charakteren.
Und was Hydes Leistung insgesamt angeht: Man verzeihe mir den gewaltigen Spoiler zum Schluss – oder höre jetzt einfach auf zu lesen –, aber von insgesamt vier verschwundenen Personen am Ende keine einzige ausfindig machen zu können, ist eine so miese Leistung, dass es ein Dienst an der Menschheit war, dass dieser unfähige Idiot seinen Dienst als Polizist quittiert hat. Ja, ich weiß, es gibt ein Bonusende für den unwahrscheinlichen Fall, dass man das Spiel ohne Game Over meistert, bei dem eine der Personen wieder auftaucht. Leider die, die man sich am wenigsten zurück wünscht.
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