Öffentliche Betatests sind gleichermaßen Segen wie Fluch. Einerseits haben sie mich vor dem Kauf einiger Onlinerollenspiele bewahrt, andererseits sorgte ein solcher offener Betatest dafür, dass ich schon vor Monaten Windows Vista ausprobierte. Hätte ich das nicht getan, hätte ich auf die Fakten geschaut und wäre noch mindestens ein Jahr mit Windows XP glücklich geblieben. So aber summierten sich ein Haufen Kleinigkeiten und meine Vorliebe für das neue Interface zu einer Entscheidung aus dem Bauch heraus: Seit Freitag läuft auf meinem Rechner Windows Vista Ultimate.
Hat man seine Entscheidung für das neue Windows erst einmal getroffen, beginnt der eigentlich schwierige Part: Die Suche nach einer Ausgabe des neuen Betriebssystems, die den eigenen Erfordernissen entspricht und trotzdem halbwegs bezahlbar bleibt. Dabei fällt eine Kuriosität in der Preisgestaltung recht schnell ins Auge. Während Vista Ultimate in Europa teilweise deutlich über 500 Euro kostet, liegt der Preis in den Vereinigten Staaten bei gerade einmal 380 Dollar. Den Dollarkurs mit eingerechnet, verlangt Microsoft in der Alten Welt also fast das Doppelte. Zum Glück kann uns das zumindest in Deutschland völlig egal sein, denn nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom Juli 2000 ist es Händlern hierzulande erlaubt, die System-Builder-Versionen auch ohne Bundling mit Hardware zu verkaufen. Und siehe da – plötzlich kostet der Spaß nur noch 180 Euro!
Auf Handbuch und Herstellersupport muss man dabei zwar verzichten, aber wer von uns hat ernsthaft schon einmal den Drang verspürt, bei Microsoft anzurufen, damit man ihm bei der Installation des Betriebssystems helfe.
Hat die Einrichtung von Windows XP auf meinem damals neuen Rechner mich noch beinahe an den Untergang des Abendlandes, mindestens aber an den Untergang des PCs als Spieleplattform glauben lassen, sieht die Sache mit Vista komplett anders aus. Sicher habe ich im Laufe der Jahre dazugelernt und lege meine Daten schon seit einiger Zeit getrennt von Betriebssystem und Programmen auf einer eigenen Festplatte ab, was sowohl Backups als auch eine vielleicht mal nötige Neuinstallation des Betriebssystems eklatant vereinfacht. Aber auch das gründlich überarbeitete Setup-Programm mit seiner aufgeräumten Oberfläche und deutlich höherer Geschwindigkeit weiß zu gefallen. Nicht zuletzt dadurch, dass Microsoft über Windows Update inzwischen verstärkt Gerätetreiber ausliefert. Der gesamte Logitech-Krempel auf und unter meinem Schreibtisch richtete sich praktisch von selbst ein. Lediglich nVidias GeForce-Treiber und Creatives Soundkartentreiber musste ich von Hand von der jeweiligen Webseite holen, ansonsten lief alles vom Start weg. Das hätte ich so nicht erwartet.
Denn Vista als Zweitbetriebssystem auf seinem Rechner zu haben, ist gut und schön. Aber das alte XP komplett über Bord zu werfen, ist eine ganz andere Geschichte, weshalb ich froh bin, dass meine Befürchtungen hinsichtlich nicht funktionierender älterer Hardware und der Jagd nach funktionstüchtigen Treibern nicht eingetreten sind.
Wie von XP gewohnt, ist auch ein Vista-Desktop nicht von Hause aus hervorragend eingerichtet, um ein bisschen Handarbeit kommt man leider nicht herum. Die Sidebar habe ich beispielsweise umgehend abgeschaltet. Dass ein Feature, das immerhin schon in den ersten Longhorn-Versionen zu sehen war, Jahre später immer noch nicht zufriedenstellend funktioniert, ist schon eine schwache Leistung. Das Ding kann sich nicht mal, wie die Taskleiste, automatisch ein- und ausblenden, damit ist es für mich leider unbrauchbar.
Die Änderungen an der Systemsteuerung sollen die Konfigurationszentrale wohl leichter bedienbar machen, aber im Grunde hat Microsoft nur die aus XP bekannten, teilweise auch dort schon unglücklich designten Dialogfenster hinter noch mehr Glitter versteckt. Das hat den Effekt, dass man als XP-Nutzer zu Beginn kaum irgend etwas wiederfindet, und selbst mit etwas Übung immer noch deutlich mehr Mausklicks braucht. Ein gutes Beispiel ist der Aus-Schalter im Startmenü: Ein Klick darauf fuhr in älteren Windows-Versionen den Rechner komplett herunter, aber in Vista versetzt er ihn lediglich in den Ruhezustand. Möchte man das ändern, so kann man es nicht im Optionsfenster des Startmenüs selbst. Nein, man muss in der Systemsteuerung unter »System und Wartung« die »Energieoptionen« aufrufen. Was man dort erblickt, sind drei Auswahlbuttons, über die man einen »Energiesparplan« für den eigenen Rechner auswählen können soll. Bei Benennungen wie »Energiesparmodus« und »Höchstleistung« ist zwar im Grunde klar, wohin die Reise geht, aber was die einzelnen Schalter exakt anrichten, versteckt Vista vor uns.
Ein Mausklick auf »Energiesparplaneinstellungen ändern« – das steht da ehrlich so –, ein Mausklick auf «Erweiterte Energieeinstellungen ändern«, und endlich sind wir bei dem Dialogfenster angekommen, das wir unter XP sofort auf dem Schirm gehabt hätten. Unter »Netzschalter und Laptopdeckel« können wir nun das Verhalten des »Netzschalters im Startmenü« ändern.
Zum Glück sind die Teile der Benutzeroberfläche, mit denen man täglich zu tun hat, deutlich besser gelungen. Gerade in Startmenü und Explorer hat jemand offenbar eine Menge Hirnschmalz gesteckt. Oder sich die richtigen Dinge von der Konkurrenz abgeschaut, denn der Explorer ist trotz weniger Bedienelementen und damit größerer Übersicht deutlich mächtiger als sein Vorgänger. Die neue Benutzeroberfläche Aero ist, sobald man sie erst einmal an die eigenen Vorlieben angepasst hat, nicht nur ein echter Hingucker, sondern sie reagiert auf meinem Rechner paradoxerweise flotter und geschmeidiger als das altbekannte Luna von Windows XP.
Eigentlich also alles ganz dufte in Vista-Land. Nur einen wirklichen Grund zum Umstieg, den gibt es nicht. Falls man wie ich eine ältere Creative-Soundkarte besitzt, sprechen sogar handfeste Gründe dagegen. Erstens gibt es in DirectX 10 keine Hardwareunterstützung für Creatives Surround-Sound-Standard EAX mehr, was bedeutet, dass ältere Spiele entweder eine Ecke schlechter klingen als bisher, oder dass man sie von Hand mittels Creatives ALchemy auf OpenAL umstellen muss. Falls ALchemy das jeweilige Spiel denn unterstützt. Zweitens war die häufigste – weil einzige – Absturzursache für meine Betaversionen von Vista leider der Creative-Treiber der Audigy 2. Pünktlich zum Vista-Release befindet sich dieser Soundtreiber immer noch im Betastadium, und auch, wenn er im normalen Betrieb inzwischen zuverlässig läuft, kann man Vista damit leicht in den Bluescreen treiben, wenn man weiß, wie.
Der d-frag-geprüfte optimale Umstiegszeitpunkt liegt deshalb voraussichtlich im Dezember 2007. Denn erstens soll gegen Ende des Jahres bereits das erste Service Pack für Vista erscheinen, zweitens dürfte sich bis dahin treiberseitig nicht nur bei der Stabilität, sondern auch hinsichtlich der Performance noch einiges tun, und drittens gibt es dann möglicherweise schon die ersten Spiele, die, wenn sie Vista auch nicht voraussetzen mögen, unter DirectX 10 deutlich besser aussehen als unter der Vorgängerversion.
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