Beim Thema Hypeentfachung können andere Entwickler vom kalifornischen Schneesturm durchaus lernen. Wie man mit kleinen Infohäppchen das erste bisschen Staub aufwirbelt. Wie man die aufkeimenden Winde in Gang hält, indem man bestimmte Dinge einfach nicht sagt, den Namen der neuen Allianzrasse zum Beispiel. Wie man es schafft, immer kurz vor dem Abflauen des Interesses Informationen zur nächsten Instanz, zu fliegenden Reittieren oder zu den neuen Landstrichen in der Erweiterung nachzuschieben. Letztendlich entwickelt sich dann der Orkan, der in diesen Wochen die Spielelandschaft heimsucht. Fehlt nur noch, dass McDonalds die Chinafarmer-Wochen ausruft, mit leckerem McThorium-Burger und Gnomen-Weltvergrößerungshelm im Happy-Meal.
Wenn man einfach nur gemütlich spielen will, kann einem der eiskalt berechnete Release-Wahnsinn des Brennenden Kreuzzuges allerdings ganz schön auf die Nerven gehen.
Das fängt beispielsweise bei den Mitternachtsverkäufen an. Klar, warum soll nicht auch bei Spielen funktionieren, was bei bei Potter-Büchern hervorragend klappt? Der Media Markt um die Ecke zählt zwar nicht zu den Orten, an denen ich mich mitternachts bevorzugt aufhalte, aber wenn andere Leute unbedingt selbst stundenlange Zugfahrten in Kauf nehmen wollen, um sich einen halben Tag früher in die Weiten der Scherbenwelt stürzen zu können als der Rest von uns, bin ich der Letzte, der sie aufhält.
Solange man mich mit diesem Mist nicht behelligt. Tut man aber, denn man kann wohl nicht anders. Da ich gestern abend sowieso in der Innenstadt unterwegs war, selbiges aber für den heutigen Tag nicht plante, schaute ich kurz vor Ladenschluss noch bei meinem Spielehändler vorbei und fragte, ob ich mein vorbestelltes Burning Crusade nicht schon abholen könne. War nicht möglich. Obwohl der Laden selbst gar keinen Mitternachtsverkauf veranstaltet und sonst jedes x-beliebige Vollpreisspiel ungeachtet des verkündeten Releasedatums ins Regal stellt, sobald die Packungen eingetroffen sind; obwohl ich vor dem heutigen Tag gar nicht hätte spielen können, ich das Spiel einen halben Tag später sowieso abgeholt hätte und mein vorbestelltes Exemplar seit letzter Woche schon im Laden herumliegt.
Also geht man mit seinen Freunden abends im Hauptspiel noch einmal in den Düsterbruch und sucht hinterher das Dunkle Portal auf. Unzählige Spieler haben sich dort versammelt, in der Hoffnung, dass zur Öffnung des Portals noch ein kleineres Event stattfinden würde. Das tut es aber nicht, wir stehen dort im Grunde nur herum, um pünktlich zu Mitternacht etwa zwanzig Typen dabei zuzusehen, wie sie lässig durch das uns verschlossene Portal schreiten. Offensichtlich kannten sie kooperativere Händler.
Trotzdem muss ich natürlich zugestehen: Selbst wenn viele Fans davon auszugehen scheinen, dass die Server sich in den nächsten Tagen regelmäßig verabschieden werden, ziehe ich vor Blizzards generalstabsmäßiger Planung meinen Hut. Die Server wurden schon vor Wochen auf eine AddOn-fähige Version umgestellt und der heute noch zu installierende Patch wurde, von drei mickrigen Megabyte abgesehen, ebenfalls bereits vor einiger Zeit auf die Rechner der Spieler geladen. Die zum Release des Hauptspiels vor zwei Jahren lange völlig überlastete Webseite zur Aktivierung des Accounts wird heute einerseits dadurch entlastet, dass man seinen Account direkt aus dem Installationsprogramm heraus aktivieren kann, was ein Minimum an Datenaufkommen bedeutet. Andererseits wurde aber auch gewährleistet, dass die Spieler nicht alle gleichzeitig mit der Installation beginnen: Viele Spieler aus den Mitternachtsverkäufen haben schon mehrere Stunden gespielt und die Startgebiete der neuen Rassen inzwischen hinter sich gelassen. Mein Händler öffnete um sechs Uhr die Pforten, mit mir hat die zweite Chose an Spielern die ersten Quests in den Outlands bereits erledigt. Die Spielepakete aus dem Versandhandel treffen ebenfalls erst heute ein, postbotenbedingt zu unterschiedlichen Zeiten. Menschen schlafen unterschiedlich lange, besonders Studenten, manche Zeitgenossen gehen gar geregelter Arbeit nach und kommen erst in den Abendstunden zur Installation. Der Ansturm der Massen wird über einen vergleichsweise großen Zeitraum gestreckt, bisher mit Erfolg.
Auch wenn viele Spieler überzeugt sind, dass Burning Crusade in der ersten Woche kaum vernünftig spielbar sein wird, wage ich also die vorsichtige Prognose, dass der Umstieg, gemessen an dem unglaublichen logistischen Aufwand, erstaunlich reibungslos über die Bühne gehen wird.
Immerhin verfügt World of Warcraft nach Blizzards Angaben aktuell über acht Millionen aktive Spieler. Selbst wenn die nicht alle gleichzeitig auf das Addon umsteigen werden, muss man sich vor Augen halten: Es geht hier um ein einziges Spiel für den PC, das noch dazu monatlich Gebühren kostet. Microsoft hat nach eigenen Angaben die Xbox 360 bisher nur knapp über zehn Millionen mal verkauft, und das sind die Verkaufszahlen einer kompletten Hardwareplattform. Selbst wenn es also in den nächsten Tagen das eine oder andere technische Problem geben sollte – was Blizzard hier durchzieht, hat in diesem Umfang noch niemand je zuvor versucht.
Bleibt mir nur, noch etwas zur Collector's Edition zu sagen. Die macht ihrem Namen alle Ehre, denn es gibt vergleichsweise wenige Exemplare davon. Mit Making-Of-DVD, Soundtrack, zweihundertseitigem großformatigen Artbook und Mousepad bringt die Packung stolze zweieinhalb Kilo auf die Waage und ist ihren Preis durchaus wert, auch wenn es eine Unverschämtheit ist, dass die meisten Händler die Limitierung der Box ausnutzen und auf die unverbindliche Preisempfehlung von siebzig Euro schamlos nochmal zwanzig bis fünfzig Euro draufschlagen. Gut, die Trading Cards sind Blödsinn, und ein Handbuch, das nicht nur aus Credits besteht, hätte durchaus dabei sein dürfen, aber insgesamt pulverisiert das Paket alles, was dieses Jahr sonst noch an Sammeleditionen angeboten wurde.
Auf dann also! Wir sehen uns in der Scherbenwelt.
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