Launch-Hypes habe ich nie verstanden. Menschen, die freiwillig – ohne Androhung körperlicher Gewalt – für ein Stück Plastik eine Nacht vor einem lieblosen Fachgeschäft kampieren, werden mit mir als Gesprächspartner keine Freude haben. Warum nicht einfach ein halbes Jahr später kaufen? denke ich mir dabei, und deswegen hätte ich jetzt wohl nichts über Nintendos Wii schreiben können.
Nun schreibe ich aber über die Wii und ihre Controller, weil ich sie schon seit geraumer Zeit benutzen darf. Wie das? Nun, das Leben ist kein Ponyhof, und sogar meine Miete macht mir nicht die Freude, sich einfach in Luft aufzulösen. Deswegen geht man – und die Millionäre unter euch mögen ruhig kichern – »arbeiten«, nimmt »Jobs« an oder erledigt »Projekte«. Projekte wie dieses. Diese Info der Transparenz wegen.
Hätte ich einen GameCube, würde ich mich sehr über die vier GameCube-Anschlüsse freuen. Hätte ich einen GameCube, könnte ich über Kompatibilität und Spielgefühl seiner Spiele auf der Wii schreiben. Habe ich aber nicht. Was ich sehr schade finde.
Schade auch, dass verständlicherweise weder die virtuelle Konsole noch die Online-Services mir vor dem offiziellen Launch den Spaß erlaubt haben, sie nutzen zu dürfen. Stattdessen kann man mehrere Stunden damit zubringen, sich seinen eigenen Avatar zu erschaffen. Der heißt übrigens gar nicht Avatar, sondern Mii. So ein Mii wird im Controller gespeichert und ist damit immer im Gepäck, wenn man seinen Controller zu befreundeten Wii-Konsolen mitnimmt. Ansonsten lebt ein Mii bescheiden mit anderen Miis, aber ohne Ohren vor sich hin, lässt sich alphabetisch sortieren, herumschubsen und neu gestalten. Und falls Spiele, die ihn unterstützen, gespielt werden, muss er schon mal hart arbeiten. Oder sie.
Meine Hände mögen Wiimote und Nunchuck sehr. Meine Hände haben Hardcore-Daddeln nämlich verlernt. Zugegeben, außer den Controllern der PS2 habe ich nur wenige Konsolen-Pads wirklich ausdauernd benutzt und nach aktuellen Steuerungsgadgets für PCs darf man mich nicht fragen. Zu viele Tasten, zu viele Funktonen, zu alberne Anweisungen wie »drücke Kreis Dreieck Quadrat«. Wii hingegen mag’s schlicht. »Drücke A. Bewege deine Hand so, wie du sie bewegen würdest, wenn…« Schwammigkeit oder Ungenauigkeit in der Sensorik? Nur selten und nicht mehr als bei Analogsticks auch. Man braucht etwas Eingewöhnungszeit, vor allem wegen der ungewohnten Freiheit im Raum, aber die Zeit, die man mit Endloserklärungen für Nichtspieler verplempert, die auch mal mitspielen wollen, verringert sich ohne klassisches Gamepad erheblich. Die Lebensdauer der Batterien kommt leider auch verringert daher wegen der kleinen Verbraucher-Armada im Controller: Sensoren, Lautsprecher, Feedback-Motoren, Bluetooth, Expansion Port und schicke blaue Lichter.
Ein Tipp an die Entwicklungsabteilung: beim nächsten Update der Firmware wäre eine kleine Funktion wie »Zeiger zentrieren« hübsch. Damit man anfangs nicht diverse Luftquadranten nach seinem eigenen Zeiger absuchen muss.
Ja, lacht ihr nur über die Warnhinweise vor Beginn des Spiels, über die ulkigen Miis auf dem Schirm und über die potentielle Spießigkeit digitalen Bowlings. Ja, nicht nur ich musste meine Ignoranz schmerzlich mit Muskelkater bezahlen. Und verschwitzten Klamotten. Und blauen Flecken. Denn diese an sich simplen kleinen Sportspiele wirken in Videos und Screenshots harmlos, sind aber in Wirklichkeit geheime Verschwörungen gegen die allgemeine Sofakartoffel.
Ein kleiner Nebenspaß bei all dem Primärspaß wird in Zukunft sein, sich die abstrusen Floskeln und schiefen Metaphern der Spielepresse durchzulesen, wenn sie Spiele beschreiben will, deren Immersion und wesentlicher Spaß nicht mehr auf dem Bildschirm, sondern davor erzeugt werden. Das mag sie nämlich nicht so gerne, die Spielepresse. Vielleicht wird sie bald eine weitere Punktwertung für Kalorienverbrauch einführen. Aber ich schweife ab.
Wii Sports ist tatsächlich ein großer Spaßerzeuger, falls man mit mehreren vor dem Bildschirm steht, herumhampelt oder sich gegenseitig ins Gesicht schlägt. Das kann nämlich – eine kleine Wohnung, ehrgeizige Mitstreiter und ein Tennis-Doppel vorausgesetzt – schnell passieren. Wii Sports einsam und alleine im eigenen Wohnzimmer zu spielen aber wird nicht die Erfüllung heimlicher Spielenerdträume sein.
Für alle Sportarten gilt: die Controller werden ähnlich der echten Bewegungsabläufe einer Sportart bewegt. Und nun Schnelldurchlauf.
Golf. Erstaunlich, dass ein an sich so ödes Spiel wie Golf in seiner digitalen Simulation nicht halb so öde ist wie eine Golf-Übertragung im Fernsehen. Erfordert etwas Geduld und Handgelenkgefühl. Weckt im höchsten Schwierigkeitsgrad sehr den Zocker-Ehrgeiz, ist aber nichts für Actionhelden. Besonders passend für ältere Casual Gamer.
Boxen. Woah! Anstrengend wie vier Kleinkinder. Eine Runde dauert drei Minuten. Drei sehr, sehr lange Minuten voller Schweiß und Anstrengung. Das glaubt man vorher gar nicht. Aber welche Bewegungen welche Schläge genau nach sich ziehen, erscheint etwas willkürlich. Bei Boxen 2.0 vielleicht mal über die Einbindung einer Tanzmatte nachdenken für die Beinarbeit. Ali Shuffle galore!
Bowling. Launiges Gesellschaftsspiel. Wohl für Nichtspieler die am leichtesten zu begreifende Sportart. Mit ein wenig Übung zu einfach. Witzig aber, beim eigenen Bowlen die Nachbarbahnen zu beobachten. Dort spielen andere Miis nämlich auch.
Tennis. Mein Favorit. Zu zweit großartig. Tennis zu viert? Noch großartiger. Und wenn man irgendwann begriffen hat, wie man gezielt Topspin oder Slice spielt, wie man Bälle cross oder longline plaziert, dann will man nicht mehr aufhören. Nicht mal dann, wenn man plötzlich den Controller seines Gegner gepflegt in der Fresse hängen hat.
Baseball. Kann man vergessen.
Wohin die Wii-Reise nächstes Jahr geht? Ich weiß es nicht. Die bisherigen Stunden mit ihr haben mir allerdings nach einer langen Phase der Unlust endlich wieder gezeigt, was ich an Videospielen liebe und was ich in den letzten Jahren immer häufiger vermisst habe: Begeisterung.
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