Civilization IV ist doch pillepalle. Da kreucht und fleucht man auf seiner Welt vor sich hin und dirigiert vom Affen abstammende Primaten ein paar Meter durch den Urbusch, um hier und da mal eine Stadt hoch zu ziehen oder anderen Degenerierten zwecks Lebensraumvergrößerung geradewegs eins auf die Schnute zu geben. Im späteren Verlauf weicht der Knüppel zwar durchaus ausgefeilterer Kriegsmaschinerie und das Grunzen zwecks Verständigung erlauchterer Kommunikationsmöglichkeiten, doch für einen wahren Eroberer ist das genau so Hallenhalma. Getreu dem Bond’schen Motto »The world is not enough« zieht es den strategieaffinen Spieler nach langer Abstinenz (Master of Orion 3 kehren wir mal gepflegt unter den Teppich) wieder einmal zu den Sternen. Galactic Civilizations II ist da.
Es geht also um das Genre der oft zitierten vier Xe: eXpand, eXploit, eXplore, eXterminate. Diese beschreiben schon recht umfassend, worum es geht. Die Menschheit hat den so genannten Hyperdrive erfunden und fängt an, mittels Kolonisierung fröhlich ihren genetischen Fingerabdruck auf umliegende Planeten zu verteilen. Dazu werden flugs ein paar Kolonisierungsschiffe auf Mutti Erde gebaut und ein paar wagemutige Kolonisten zu fremden Sternen geschickt, die sich mehr oder weniger eignen, sich unter der Hand des Spielers zu florierenden und produktiven Gemeinschaften zu entwickeln.
Dabei ist die Menschheit nicht allein. Aus einer Menge von neun anderen Weltmitbewohnerrassen darf im freien Spiel nach Belieben, in der mitgelieferten Kampagne nach Story und Vorgabe expandiert werden. Bei ersterem ist es sogar möglich, die Eigenschaften der verschiedenen Rassen zu editieren, was bestimmten Boni und Mali auf alles im Spiel entspricht, sowie sich seine ganz eigene persönliche Rasse zu kreieren und lieb zu haben. Allein hier ergeben sich aus den 24 zur Verfügung stehenden Fähig- und Fertigkeiten wahre Einstellungsorgien. Überhaupt ist es erstaunlich, an was alles gedreht werden kann, um die Schwierigkeit und den Umfang des anheim stehenden Unterfangens zu determinieren. Neben der Galaxiegröße, den mitstreitenden Rassen, der Häufigkeit fruchtbarer Planeten, der Grundschwierigkeit und der generellen Anzahl und Dichte der Sterne fallen darunter auch noch politische Parteien der einzelnen Rassen, das generelle Erscheinungsbild von Schiffen und Farben sowie unterschiedliche Siegbedingungen.
Das Schöne daran: alles kann, nichts muss. Mit drei Klicks auf den »Turn«-Button ist man ebenfalls im Spiel. Bis man allerdings alle Nuancen und Möglichkeiten des Spielverlaufs austariert hat (zum Beispiel macht es bezüglich des Verhaltens einen himmelweiten Unterschied, welche Rassen teilnehmen), vergehen allerdings geschätzt Jahre.
Nun sind wir also da und breiten uns aus. Nebenbei wird eifrig geforscht, wir wollen ja was lernen. Der Technikbaum ist riesig und wird in einem durchschnittlichen Spiel kaum ausgereizt. Wenn doch, ist der betreffenden Zivilisation ein Technik-Sieg sicher, da das eine der Siegbedingungen sein kann. Die erforschten Technologien werfen neue Ausrüstungsteile für Schiffe und Sternenbasen, Erweiterungen für Gebäude auf Planeten, neue Fähigkeiten wie etwa Handel und neue Möglichkeiten der Diplomatie ab. Leider ist er an manchen Stellen etwas unkreativ und relativ wenig verzweigt. So folgt auf »Laser I« ein »Laser II« bis hin zum »Laser V«. Jede neue Waffe benötigt etwas weniger Platz auf dem Schiff, doch erst danach folgt eine andere, schlagkräftigere Kategorie der Strahlenwaffen, bei der sich das vorangegangene Spiel wiederholt. Immerhin gibt es den Technikbaum aber auch als Papierfassung in der europäischen, von Paradox vertriebenen Version zum Neben-den-Monitor-hängen und Nachgrübeln.
Neben der Forschung wird auf den Planeten auch etwas gegen die Arbeitslosigkeit getan. Je nach Klasse ist eine bestimmte Fläche bebaubar, auf die ein Gebäude gesetzt werden kann. Das können für schnelleres Erfinden Labore, für schnelleres Produzieren Fabriken, für mehr Touristen und größeren Einfluss auf benachbarte Zivilisationen kulturelle Stätten oder für ertragreicheres Handeln Marktplätze sein. Daneben gibt es noch die planetare militärische Abwehr und einen großen Haufen Spezialgebäude für nahezu alle Bereiche, die erst durch intensive Forschung freigeschaltet werden. Das gilt ebenfalls für die Updates der Standardgebäude. Jeder Planet kann so spezialisiert werden – oder eben nicht.
Besitzt ein Planet erst einmal einen Sternenhafen, geht das Schiffebauen los. Sowohl die zivilen Gefährte als auch die militärischen Pendants können frei nach Belieben designt werden. Die Basis bildet der Rumpf: mit ihm wird die Kapazität der funktionellen Teile bestimmt. An diesen kann man beliebig viele Schmuckelemente andocken und sich so sein persönliches Schätzchen bauen. Wozu das führen kann, dokumentieren viele Screenshots auf der Webseite des Herstellers Stardock – es gibt wohl kaum eine Science-Fiction-Serie, die in der kurzen Zeit nach dem US-Release noch nicht nachgebaut wurde. Dann kommen die funktionellen erforschten Elemente wie Antrieb, Waffen, Verteidigungskomponenten und zivile Module ins Spiel, die beliebig am Flieger montiert werden und seine Werte wie Kosten, Angriff, Geschwindigkeit und (Sensor-)Reichweite bestimmen. Nachdem das Design gespeichert wurde, kann es auf jedem Planeten mit Hafen gebaut werden.
Dieser Baukasten funktioniert hervorragend und macht süchtig. Natürlich kann man auch schnell seine Teile an die Hülle klatschen; und man wird dies tun, wenn man nur schnell die Effektivität einer anderen Bestückungsstrategie ausprobieren möchte. Aber allein mit dem Design der eigenen Schiffe kann man Stunden verbringen. Und das ist nicht einfach nur dahingesagt.
Ein Kampf lässt sich meistens nie ganz vermeiden, obwohl man auch ein Spiel mit geschickter Diplomatie gewinnen kann, ohne jemals in einen verwickelt zu werden. Wenn es dann doch einmal knallt, kann der Spieler selber nicht mehr eingreifen. Im Gegensatz zur Master of Orion-Serie lässt sich nur wahlweise eine Animation anschauen oder das Ergebnis präsentieren. Das aber mit gutem Grund: Galactic Civilizations II blendet den taktischen Kampf als Minispielchen aus und konzentriert sich ganz auf den Strategiepart, kompensiert das allerdings durch die unbegrenzten Möglichkeiten im Schiffsdesigner. So ist es nicht mehr möglich, mit drei fliegenden Melkeimern der K.I. fünf Riesenschlachtschiffe abzunehmen, wohl aber, diese mit einer Horde kleiner Schiffe mit geschickter und richtig gewählter Waffenbestückung in die Knie zu zwingen. Dazu verhilft auch das rigorose Schere-Stein-Papier-Prinzip der Waffen und Schilde.
Bleiben noch die Sternenbasen: Diese können mit speziellen Schiffen im Raum und auf bestimmten Ressourcen im Raum platziert werden. Weitere dieser Schiffe bauen sie mit erforschten Modulen aus und lassen sie nach und nach größer und mächtiger werden, was oft entscheidende Vorteile bringt. So können sie militärisch eingreifen, den Handel und das Einkommen der Planeten im Umkreis erhöhen oder den eigenen Einfluss entscheidend vergrößern. Steht ein Planet unter dem Einfluss einer anderen Zivilisation und sind seine Bewohner recht unzufrieden, können die schon mal revoltieren, und der ganze Gesteinsbrocken sagt sich von seinem bisherigen Sternengeneral los.
Warum all die Detailaufzählungen? Weil Galactic Civilizations II so viele strategische Elemente in sich vereint, auf der anderen Seite aber so gut wie nie ins fummelige Micromanagement abdriftet. Stardock hat es geschafft, vielfältigste Möglichkeiten unter einen Hut zu zaubern, in diesem Kontext unwichtige Dinge ohne Gnade zu verbannen und im Gegensatz zu ähnlichen Titeln einen sich sanft dahinschmiegenden Spielfluss zu ermöglichen. Streng rundenbasiert lädt das Spiel dazu ein, sich in die Tiefe vorzuwagen, sich mit den einzelnen Teilen der Mechanik zu beschäftigen und mit ihnen zu daddeln, ohne es zur Pflicht zu machen. So sind grundlegend unterschiedliche Möglichkeiten gegeben, eine Partie auszufechten: als streitsüchtiger Bauerntrampel mit kräftigem Bizeps genauso wie als elitärer Weißkittel mit dicker Brille und allen Ovid-Zitaten dessen Schaffens.
Der fehlende Multiplayerteil hat viel Gemurre in Rezensentenkreisen hervorgerufen und wird fast überall als der eine große Schwachpunkt des Spiels dargestellt. Doch die Argumentation von Stardock leuchtet ein: das Spiel lebt von seinen vielfältigen Handlungsunterschieden der Rassen, die K.I. macht ihre Sache bemerkenswert gut und wird in höheren Schwierigkeitsgraden bockfies herausfordernd, und eine zehnstündige Partie würde beim Warten auf den Zug des Gegners schnell zu gepflegter Zähigkeit führen. Zum Ausgleich wurde das so genannte Metaverse im Internet geschaffen, eine Art globaler Highscoreliste mit Gruppenbildungsmöglichkeit, wo durch vorheriges Einloggen vor dem Spiel sichergestellt wird, dass keine Mods verwendet werden. Apropos Mods: Das Spiel selber ist bis ins Kleinste modifizierbar. Sämtliche Schiffsmodelle können ausgetauscht, alle Grafiken, Sounds und Musiken ersetzt, jeder Text und jedes Spielelement per XML verändert und jede Oberfläche mit dem hauseigenen externen Programm DesktopX umgestaltet werden. Ein riesiger Sandkasten für die Experimentierfreudigen!
Galactic Civilizations II mixt Elemente des ersten Teils, von Master of Orion 2 und Alpha Centauri zu einer gelungenen Mischung. Das Spielgefühl stimmt, der Spaß- und Motivations-Faktor ist immens hoch und vom Nur-noch-ein-Zug-Effekt rede ich erst gar nicht. Das Drumherum, die Grafik und die Musik passen zum Spiel, die Ausstattung ist erfreulich nett (Metallbox mit gedrucktem Technikbaum), die Nähe zwischen Entwicklern und User im offiziellen Forum vorbildlich, der Preis für ein Vollpreisspiel sehr günstig und Gefummel mit den CDs zur Kopierschutzabfrage entfällt. Für Strategen, Fans rundenbasierter Spiele und Weltraumliebhaber ein absoluter Pflichtkauf. Ich geh jetzt wieder das Universum erobern.
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