Freitag habe ich Eve Online gekündigt. Schweren Herzens. Denn Eve Online gefällt mir so gut, dass ich es schon aus Anstand weiter unterstützen möchte. Doch der Grund, warum ich aufgehört habe, gilt leider für immer mehr Spiele und ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich älter werde oder dass die Spiele sich geändert haben: das Spiel wird besser, je mehr Zeit man investiert, und gleichzeitig geht man – wie bei fast allen MMOGs – soziale Verpflichtungen ein, die wieder mehr Zeit fordern. Auch wenn ich die Zeit auftreiben könnte, ist das Gefühl, dass mich das Spiel dazu zwingt, kein gutes. Den folgenden Text habe ich geschrieben, als ich vor Monaten mit Eve Online anfing.
Irgendwas geht vor sich in Island, irgendwas muss dran sein, an dieser Insel zwischen den Eisbergen. Neben der ältesten noch intakten Demokratie und einem staatlichen Elfen- und Feenbeauftragten ist Island hierzulande vor allem durch seine Musiker bekannt. Allen voran hat Björk im letzten Jahrzehnt das Bild der exzentrisch schönen Ästhetik der Isländer geprägt. Bands wie Sigur Rós und Múm folgten ihr auf dem Fuße und zementierten nicht nur bei mir die Idee, dass Island ein Insel der Feen und Kobolde ist, die in allem dort Entstehendem ihre Finger im Spiel haben.
Themenwechsel: Elite war schon ein Mythos, als ich anfing, Computer zu spielen. Der Spieler – in diesem Fall ein Weltraum-Hans-Dampf in allen Sternensystemen – gelangt mit Handel und 3D-Ballerei zu Freude, Ruhm und mächtigeren Waffen. Von Raumstation zu Raumstation fliegend erschließt man sich die Galaxie. Leider habe ich es nie gespielt. Wing Commander hingegen reichlich. Als jemand, der Star Wars schon mit der Muttermilch aufnehmen durfte, habe ich auf nur wenige Dinge sehnlicher gewartet, als selber in einem Raumschiff zu hocken und mit Lasern alles wegzupusten, was mir vor den Bug kommt. Dass nicht imperiale Piloten, sondern katzenhafte Kilrathi in den Raumschiffen saßen, störte nicht weiter. Und als Mark Hamill in die Wing Commander Saga einflog, wurden die Grenzen ohnehin semipermeabel.
Die Isländer von CCP Games haben sich das große Erbe beider Spiele zu eigen gemacht und sich nicht mehr und nicht weniger vorgenommen, dieses Erbe ins Zeitalter der MMORPGs zu tragen. Und sie tun es isländisch. Ich könnte schwören, dass wenigstens eine Fee mit ihrem Zauberstab auf den reykjavíker Tastaturen rumgespielt hat. Denn was so aussieht und sich so anhört, kann nicht allein von Menschenhand sein. Eve Online heißt das Kind alter Computerspiel-Tradition und nordatlantischer Befindlichkeit.
Ich bin nur durch Zufall auf das inzwischen zwei Jahre alte Spiel aufmerksam geworden. Während ich auf den Download für irgend eine Demo wartete, lief ein Flashbanner, das so bestechend schön war, dass ich mich des Klickens nicht erwehren konnte. Weil Eve Online ein MMORPG ist, wird das Spiel zum kostenlosen Download mit einem vierzehntägigen Trial Account angeboten. Optimal, um Samstagabend noch »mal eben« einen Blick drauf zu werfen. Als ich den Blick wieder vom Monitor wende, wird es schon hell draußen.
Schuld daran ist zuallererst die Stimme des Tutorials. Damit wir uns recht verstehen: Tutorials sind langweilig. Warum soll ich mir zeigen lassen, was ich auch selber herausfinden kann? Aber von der sympathischen Computerdame mit dem dezenten britischen Englisch könnte ich mir den ganzen Kosmos erklären lassen. Und die Gute ist in bester Gesellschaft. Das Grafikdesign wirkt in allen Aspekten so herzaufreißend, dass es auch ohne große Vorstellung dessen, was man im Spiel machen kann und soll ein Genuss ist, Eve Online zu spielen. Vom Design der Schiffe über die Effekte des Antriebs und der Warpsprünge bis zu den Weltraumhintergründen. Doch eine echte Offenbarung ist das Spielinterface. Nicht, dass ich besonders viele Weltraum-Spiele in den letzten Jahren gespielt hätte. Um ehrlich zu sein, war Star Wars: X-Wing das letzte. Aber man muss es gar nicht vergleichen. Ein Björk-Album vergleicht man auch nicht mit einer Platte von Sigur Rós. Es ist schlicht einzigartig schön.
So schön, dass sich die Jungs und Mädels bei CCP Games sogar aus einem Element der Steuerung ihr Logo gezimmert haben. Und die Schönheit zieht sich durch praktisch alle Bereichen, die sich mir bisher erschlossen haben. Die Menüs, die Fenster, die Schiffskontrolle, die Kampfhilfe, die Weltraumkarten. Alles so, wie ich mir Weltrauminterfaces immer gewünscht habe, obwohl ich keine Ahnung habe, warum die Dinge so aussehen sollen oder ob das überhaupt vernünftig ist, dass sie so aussehen. Ist mir alles egal. Es sieht umwerfend aus. Wenn andere Raumschiffe an der Raumstation andocken, wenn man auf Warp-Geschwindigkeit geht oder wenn man sich in einem der balletthaften Kämpfe mit Piraten befindet. Alles strahlt eine stete Eleganz und Leichtigkeit aus. Ich wünschte, ich könnte meine Wohnung so einrichten.
Obendrein hat es einen der grafischen Offenbarung angemessenen Synthi-Space-Soundtrack. Zwischendurch habe ich wirklich geglaubt, die Orgeln von Sigur Rós zu hören. Und in der Tat klingt alles ein wenig so, als hätte Jean Michel Jarre ein Jahr in einem Iglu auf einem Gletscher gelebt. Gut, Geschmäcker sind verschieden. Doch obwohl der Weltraum stumm ist, klingt alles so sehr nach Weltraum, dass ich mich frage: wann und wie ist diese Idee in meinen Kopf gekommen, der Weltraum klänge wie ein Synthesizer?
Um es noch mal deutlich zu sagen: ich kann praktisch keine Aussage machen, ob das Spiel ein gutes Spiel im herkömmlichen Sinne ist, oder ob es seinen Vorgängern gerecht wird. Ein etwas anderes MMORPG eben, bei dem man von den anderen Spielern in erster Linie nur deren Raumschiffe sieht. Die Entwicklung der eigenen Fertigkeiten dient hauptsächlich der Verbesserung des Raumschiffes. Und die Raumschiffentwicklung selber nimmt eine zentrale Rolle im Spiel ein. Aber das spielt eigentlich keine Rolle. Denn es ist für 14 kostenlose Spieltage ein Genuss, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Wem das Spielprinzip gefällt, kann ja gerne weiterspielen.
Am Ende des Tages hat Eve Online eine weitere erschreckend anmutige Ähnlichkeit mit den Werken von Björk, Sigur Rós und Múm. Durch dieses in allen hör- und sichtbaren Belangen zauberhaft schöne Spiel gleitend, sich in die Schönheit einkuschelnd, bleibt vorerst ein Gedanke: »Wenn ich doch bloß wüsste, was das alles bedeuten soll.«
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