Zu den eher bezaubernden Dingen im Preview-Review-Kreislauf eines Spiele-Topcheckers gehören diese kleinen Geschichten am Rande, deren Protagonisten ob ihrer, nunja, unfreiwilligen Heldentaten bestimmt bei Nina Ruge oder RTL 2 landen würden (»Hund Mopsi rettet Frauchen«, »Herbert L. (42) überlebt Inferno«), wäre das Objekt ihrer Leidenschaft nicht ein schnödes Computerspiel. »Fans retten Spiel!«, würde so ein Beitrag dann heißen. Oder »Freaks erwecken Digitalleiche wieder zum Leben«. Aber was red’ ich, ich bin ja gar nicht Nina Ruge.
Geschichte eins. Es war im Jahre 1996, als Starwave eines der ersten grafischen MMOGs (Onlinespiele für viele Spieler gleichzeitig) entwickelte: Castle Infinity. Ein bisschen Adventure, ein bisschen Plattformspiel, ein paar Puzzles und natürlich so eine Art Chatraum. Ist ja toll, dachten sich einige Spieler damals, aber das dachten nicht genug. Ein paar Jahre, Firmenaufkäufe und seltsame Disney-Praktiken später geriet das Spiel in Vergessenheit. Bis jemand namens Kevin Quitt ein paar alte Rechner aus einem Müllcontainer rettete. Zufällig waren das die Starwave-Server, auf denen Castle Infinity gehostet wurde, und zufällig war keine Festplatte gelöscht oder zerstört worden. Dieser Kevin Quitt war – wieder ganz zufällig – damals einer der Hardcorespieler des Spiels gewesen und begann sofort, Castle Infinity auferstehen zu lassen. Mit vielen kleinen Verbesserungen hier und da. Heute betreibt die gemeinnützige Castle Infinity, Inc. die notwendigen Server, kümmert sich um Software-Updates und um all den anderen Kram, der bei Onlinespielen so anfällt. Unentgeltlich. Die bei vergleichbaren Spielen anfallenden monatlichen Gebühren bestimmt man hier selbst, von null Dollar bis the sky’s the limit. Die Software selbst ist sowieso kostenlos. Spenden willkommen.
(Im Übrigen ist mir völlig egal, ob das mit den Müllcontainern der Wahrheit entspricht oder nicht. Zu schön, um es nicht zu glauben.)
»The one thing we all have in common: The love of a Simulation that was released almost 6 years ago.«
FreeFalcon.com
Geschichte zwei. Fragt man Simulationsfreaks nach der realistischsten und komplexesten Flugsimulation ever, werden die meisten antworten: Falcon 4.0 von MicroProse. Um gleich danach einige Male tief zu seufzen und leise etwas von »verbuggt ohne Ende, hachja, aber da war ja dann der Quellcode-Leak...« zu grummeln. Die Firmengeschichte von MicroProse kann heute keine Sau mehr akkurat nacherzählen – Spectrum HoloByte, Hasbro Interactive und Infrogrames kommen darin vor (über die Gotteslästerung, die Infogrames mit der Sicherung der Namensrechte an »Atari« und der Umbenennung 2003 begangen hat, lasse ich mich nicht aus) – und so wäre wohl auch der Falke von 1998 langsam im Dschungel der Firmenbürokratie verschwunden, gäbe es die Fans nicht. Simulationsfans sind nämlich ganz besondere Fans. Anders ausgedrückt: die sind komplett verrückt. Nach der versehentlichen (?) Veröffentlichung des Quellcodes hackten sich die Verrückten Falcon 4.0 zurecht, entwickelten neue Modifikationen, Skins, Terrains und andere Dinge, die ich nicht verstehe. Gegen den Willen von Atari Infogrames, klar. Jetzt haben einige alte Hasen der Szene ein Studio namens Lead Pursuit gegründet, Atari Infogrames eine Lizenz abgerungen und die kommerzielle Simulation Falcon 4.0: Allied Force veröffentlicht. Um all die Mods und Projekte wieder auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Die deutsche Version kann man voraussichtlich ab dem 1. August für 30 Euro kaufen.
Leider konzentrieren sich die Spackos da draußen derzeit alle auf eine andere Geschichte, nämlich die mit dem heißen Kaffee. Aber heißer Kaffee ist bloß kalter Kaffee. Ich mache mir jetzt einen Tee. Earl Grey, heiß. Alles wird gut.
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